Mittwoch, 11. November 2015

Traditionen


"Tradition bedeutet nicht die Asche anzubeten,
sondern die Flamme lebendig zu halten."

So und nicht anders. Ich habe hier übrigens nicht das Wasser mit dem Feuer verwechselt, was das Fotomotiv angeht. Ich will damit sagen: Alles befindet sich im Fluß. Aus Nomaden sind irgendwann Ackerbauern geworden, aus Stämmen wurden erst Dörfer, dann im Laufe der Zeit Städte. Wie wir Menschen, mit unserer Technologie, Medizin, Raumfahrt und Forschung, so verändert sich auch das Gesicht der Spiritualität, wie wir sie leben. Nichts bleibt wie es war, das ist ein Naturgesetz. Alles befindet sich im stetigen Wandel. Leben in seiner reinsten Form verläuft in Wellen, Spiralen, Zyklen, Rhythmen. Nur leider sind es häufig genau diejenigen, die solche Mantren gebestsmühlenartig predigen (sie stimmen ja auch), die an ihre Grenzen geraten, wenn es um die Weiterentwicklung von Ritualen und Göttinnenverehrung geht. 

Getreu dem obigen Motto lebe ich meine Magie, das Hexentum, wie ich auch meinen Alltag lebe. Ich gehe mit der Zeit. In einem Rahmen natürlich, der mir paßt und mit dem ich zurecht komme. Ich nutze also mein Smartphone, das Internet, nehme moderne Medikamente ein, wenn es nötig ist, fahre im Auto mit usw. usf. 

Wieso sollte es dann nicht auch möglich sein, eine Göttin in der Stadt zu verehren oder Nagellack zu tragen, lustig zu sein, das Leben in vollem Umfang auszukosten und zu gestalten? Meint Ihr etwa, die Göttin Hekate hätte noch nie etwas von Flaschenbier, E-Zigaretten und Haarfärbemitteln gehört? Das mögen zwar irrwitzig wild heraus gegriffene Beispiele sein, aber es ist Fakt. Die Götter sind doch keine Hinterwäldler. Die sehen unsere Lebensumstände. Es interessiert sie nicht ob eine in einer wallenden Kutte zum Ritual daher kommt oder in Jeans und mit anrasierten Haaren. Solange es real ist und gut für diejenige, kräht überhaupt kein Hahn da nach. So jedenfalls meine Erfahrung.

Ich finde es wunderbar und stimmungsvoll eine Dreiwegskreuzung aufzusuchen und Hekate dort einen Granatapfel oder auch Räucherwerk und Gemüse zu opfern. Doch wenn zuviel los ist abends in der Gegend, dann mache ich das genauso auf der heimischen Terrasse oder meinem Altar im Esszimmer. Das Gefühl und die Absicht spielen dabei eine Rolle, nicht wo es passiert. Ist es Dir ernst? Kannst Du Dich fokussieren, egal wo Du gerade bist und was für Klammotten Du trägst? Wunderbar, Du hast das Geheimnis IN DIR gefunden. Denn nirgends sonst wirst Du es finden können. Lasst Euch nichts einreden. Traditionen, Bräuche und Überlieferungen sind wichtig, sonst gäbe es ja überhaupt keine Kultur. Aber Dogma ist das genau Gegenteil von dem, was ich unter Hexenkunst verstehe. Hexen fliegen frei. Sie lassen sich nichts aufdrängen, nichtmal von sich selbst ;) Es gibt keine Regeln, vergiß das nicht. Außer Du machst sie. Dann lenkst Du Energie und sie nimmt Gestalt an. Bravo, Du hast etwas manifestiert!

Wobei ich vorsichtshalber bemerken sollte, dass man sicherlich, wenn man sich als naturspirituell bezeichnet, dem Jahreskreis etwas abgewinnen können sollte und der Natur an sich. Wenn ich den Wechsel, den Wandel und die Qualität der Zeit nicht sehe und in mir spüre oder in einem Wald so rein gar nichts wahrnehme, dann habe ich mich evtl. nicht so ganz richtig spirituell angesiedelt. Das dürte auf der Hand liegen. In irgendeiner Form fühlen sich alle Hexen den Naturphänomenen, Tieren und der Umwelt zugetan. Sonne, Mond, Steine, Wasser, Erde, Feuer, Wind, Bäume, Katzen, Hunde, Vögel, whatever. Irgendeine Resonanz wirst Du sicherlich fühlen. Aber keine Sorge, Du mußt nicht gleich die ganze Welt lieben, denn es liebt Dich sicher auch nicht jedes einzelne Individuum in ihr ;)

Natürlich sollten wir lernen und uns ernsthaft mit den Wurzeln unseres Pantheons auseinander setzen. Das verbuche ich aber unter Respekt, Verehrung und Interesse, nicht unter "Du mußt das so tun und nicht anders, sonst funktioniert das nicht". Staubtrocken und todernst sind die allermeisten Götter übrigens auch nicht. Die haben eine gute Portion Humor parat, da kann sich manch einer noch eine Scheibe von abschneiden. Lachen ist gesund! Aus dem Feiern ist jegliche Art von Fest und Ritual überhaupt erst entstanden. Auch in einer Zeremonie darf gelacht werden, sogar mal etwas schief laufen. Dass man sich nicht lustig machen oder mit mangelnder Ernsthaftigkeit an die Sache heran gehen sollte, das versteht sich wohl von selbst.

Was glaubt Ihr wer uns den Funken freien Willens und Verstandes eingehaucht hat, wenn nicht die Götter? Nicht ohne Grund kommen sie mit vielen ach so menschlichen Wesenszügen und Eigenschaften daher. Denn sie sind doch die Schöpfer und haben uns wohl nach ihrem eigenen Vorbild geschaffen, oder nicht? Dann dürfte man auch davon ausgehen, sie wollen, dass wir eigenständig denken, handeln, gestalten und machen und tun. 

Wie gesagt, Tradition, Überlieferung und Hintergründe sind mir sehr sehr wichtig, wenn ich mich mit jemandem beschäftige. Aber alles hat seinen Zeitgeist und mit dem gehen auch die Götter, davon gehe ich ganz fest aus. Also bei mir hat sich jedenfalls noch nie jemand beschwert, weil ich am heimischen Tisch orakelt habe, oder auf der Kommode meine Opfer dargebracht. 

Man muß sich einfach mal überlegen dass die Götter, wie wir sie heute kennen, vor Jahrtausenden oder Jahrhunderten von Menschen definiert worden sind.Ihre Abbilder und Kulte entstanden zu verschiedenen, längst vergangenen Zeiten. Ihre Attribute und Aufgabenbereiche nahmen im Laufe der Jahre zu, also muß und darf man wohl getrost davon ausgehen, dass auch sie selbst sich mit der Zeitrechnung entwickelt haben. Niemand erwartet heut zu Tage dass für ein Vollmondritual jemand zu Fuß einen Dreitagemarsch in Kauf nimmt, um eine entsprechende Kultstelle zu erreichen. Früher ging es nur oftmals gar nicht anders, das war der Punkt. Ich glaube was ich sagen will ist klar. Luisa hat mal geschrieben "wenn Du Deine Magie nicht zwischen Kartoffelschälen und Suppe kochen machen kannst, dann taugt sie nichts". So ungefähr jedenfalls. Und da bin ich voll bei ihr. Will nämlich heißen: Du machst die Umstände, nicht die Umstände bestimmen über Dich und Deine inneren Kräfte oder Glaubenssätze. Es gibt keine Regeln, nochmal. Was Du zur Verfügung hast und wo Du gerade bist, daraus kannst Du jederzeit etwas machen, Dein Süppchen kochen. Spiritualität muß alltagstauglich sein, für jedermann zugänglich, ohne Gatekeeper. Sonst könnte ich ja auch gleich in die Kirche gehen, hehe. Entweder Dur spürst etwas oder nicht. Das läßt sich nicht wie mit einem Schalter an- und aus- knipsen. Und vor Allem von niemand anderem, außer von Dir selbst.

Diese Gedanken begleiten mich schon ewig und ich weiß gar nicht ob ich sie jemals so niedergebracht habe, bisher. Aber heute hatte ich eine angeregte Diskussion mit einer ganz lieben "Schwester im Geiste", wo das Thema so in der Richtung mal angeschnitten worden ist. Von daher, hier habt Ihr mein Pamphlet! :D

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