Samstag, 1. November 2014

Femeiche Erle

Wie ich ja bereits in meinem Samhain-Bericht, von dem Treffen mit den Mädels erzählt hatte, waren wir am vergangenen Samstag in der Umgebung ein wenig unterwegs. Dabei wurde ich einmal mehr aufmerksam gemacht auf einen Kult- oder Kraft-Platz, ganz wie man´s nimmt, der gar nicht weit von meinem Zuhause entfernt ist. Es handelt sich dabei um die Ravenseiche, wie sie in alten Zeiten wohl (als Verweis auf Odin, dessen Begleittiere die Raben sind und dem die Eichen zugeordnet werden) genannt worden ist. Soweit bekannt, mit geschätzten max. ca. 1.300 - 1.500 Jahren, der älteste Baum in ganz Deutschland. Whow!


Schon der erste Anblick wirkte an diesem nebligen, nasskalten Tag düster und irgendwie unheimlich. Es scheint die alte Eiche eine gewisse, kraftvolle, durchaus mächtige, aber auch leicht einschüchternde Energie zu durchtränken, möchte man beinahe sagen. Diese Strömungen umgeben den Baum und man spürt sie nicht erst, wenn man genau daneben steht oder ihn gar berührt. Daß ich über den Zaun gestiegen bin (wie es sich für eine echte Hagezusse gehört) und ein Opfer dagelassen habe, hatte ich ja bereits gebeichtet.


Der Gedanke an Gerichtsbarkeit, Verurteilungen, Tote am Strick und Schuld, drängt sich selbstverständlich sofort auf. Denn um nichts anderes ging es ja dort lange Zeit auch. Es wurde Gericht gehalten, ein Urteil gefällt und in nicht wenigen Fällen auch direkt vor Ort vollstreckt... Urgs. Und genau diese Atmosphäre von Not und Schwermut und Härte - aber auch Gewißheit - umgibt die Eiche dermaßen, wie ich es an noch keinem anderen Baum oder Platz zuvor wahrgenommen hätte. Sehr imposant. Mit ursprünglich mal 14m Stammumfang (!) ist er ja auch wahrhaftig ein Riese. Ein Baum, der soviel gesehen hat, gehört und erlebt, der weiß Geschichten zu erzählen... wenn man nur hinsieht und sich öffnet. Ich bin jetzt gar nicht mal soooo die Mediale, die überall sofort Geister und Schatten huschen sieht. Aber starke Kräfte bemerke ich natürlich auch. An diesem Ort war es alle andere als schwierig, das versichere ich Euch. Und dennoch. Es ist geschichtsträchtig dort und Bäume sind unsere Freunde.


An dem heutigen Naturdenkmahl wurden bis zum 16. Jahrhundert Gerichtsverhandlungen abgehalten, wie es früher bei markanten Bäumen, wie insbesondere Eichen und Linden, üblich gewesen ist. Bei den Germanen wurden diese Zusammenkünfte als "Thing" bezeichnet. Eine enge Verbindung zwischen dem Baum als Zentrum des Thing und den Germanen am Aßenkamp (Asenkamp) verdeutlicht auch wiederum der ursprüngliche Name "Rabenbaum", von dem man sagte, daß Odin persönlich in seinem Stamm sitze, um Gericht zu halten. Seine Rabenvögel Hugin und Munin hätten sich zu diesen Gelegenheiten im Geäst niedergelassen. Symbolisch wurde ein Kreis mit Steinen, welche die Freischöffenplätze darstellen sollen, sowie ein Gerichtstisch für den ursprünglichen Freistuhl nachgebaut. Auf diesem wiederum sieht man ein Henkersseil und ein Schwert zu liegen. Was genau es damit auf sich hat findet sich in den Infotafeln erklärt, die ich auf den untersten beiden Bildern fotografiert habe.


Inzwischen ist der Baum seit Jahrhunderten gespalten, hohl und vereint sich überhaupt nur in der Krone noch. Was er aber in einem ganzen Jahrtausend auch alles mitgemacht hat. Stürme, Unwetter, Blitzeinschläge, Krieg, gescheiterte Sanierungsmaßnahmen und eher kontra-produktive Schutzversuche... Da ist es eigentlich erstaunlich daß von dem nunmehr ca. 11m hohen Naturdenkmahl überhaupt noch etwas übrig ist.


Insgesamt kann man leicht erkennen wie sehr die Zeit dem Riesen mitgespielt hat. Ohne die Stützbalken würde von den morschen, pilz-zersetzten Überresten vermutlich gar nichts mehr stehen. In gewisser Weise kann er einem fast leid tun. Wie er da steht, vom Alter gezeichnet, gebückt und kurz davor der Last und den Naturgewalten nachzugeben. Über die Jahrhunderte und gerade im vergangenen sind immer wieder Maßnahmen unternommen worden, ihn zu erhalten. Sein Leben quasi künstlich zu verlängern. Wie es der Mensch so an sich hat...


Es wird berichtet wie die Eiche vor langer Zeit zu besonderen Anlässen festlich geschmückt wurde und das Zentrum wichtiger Feierlichkeiten darstellte. Firmungen und Vermählungen fanden dort statt, es wurde getrunken und gespeist. Bis zu 36 Personen sollen in dem hohlen Stamm Unterschlupf gefunden haben und sogar an geschmückten Tafeln geschmaust. Heute ist von dem Stamm kaum noch etwas übrig. Wenn man hinein tritt gewinnt man schnell den Eindruck eine Schwelle zu übertreten, die "auf die andere Seite" führen könnte. Es riecht moderig, Fäulnis, Pilz und Spinnenweben haben sich überall breit gemacht. Sind eingedrungen und haben die mächtige Femeiche in die Knie gezwungen. Von der bröckeligen , bemoosten Borke ist es leicht Stücke abzubrechen. Der Wind knarzt in den Ästen, so daß trotz der Stützbalken die Gefahr nahe scheint, daß die Rabeneiche letzten Endes doch einbricht.


Gegenüber dann noch eine Sitzgelegenheit, die bei einem Blick durch die Sträucher wie eine Einladung ins Feenreich oder auch zu einer Druiden-Tagung anmutet. Jedenfalls wenn man sich Spaziergänger und umliegende Häuser wegdenkt. Es ist diese geheimnisvolle Spannung in der Luft, ein Knistern in der Atmosphäre, die den Ort zu einem sehr besonderen macht. Ich bin sicher daß Odin noch immer nicht fern ist und am Fuße dieses Baumes leicht zu erreichen. Auf > wikipedia < finden sich noch viele weitere spannende Geschichten und Daten rund um die Erler Femeiche.


Ich hoffe daß Ihr das Foto groß genug klicken oder zoomen könnt, um bei Interesse die Tafeln durchzulesen. Ich mag ja solche geschichtlichen Fakten, die gepaart mit Spekulationen und der entsprechenden Location immer etwas Spannendes an sich haben. Wenigstens lernt man etwas über das Gerichtswesen im Deutschland der Vergangenheit. Und dann auch noch direkt um die Ecke, so zu sagen.


Und über dem Baum an sich natürlich. Ich weiß jetzt von meiner Freundin Ana schon von einer zweiten, uralten Eiche, aus ihrer Heimat. Die ihr persönlich auch sehr viel bedeutet. Da sieht man mal daß nicht immer nur alte Gebäude ihre Faszination mit sich bringen, sondern eben auch Steine, Wäldchen, Bächlein, Bäume und andere Kraftorte, die der Natur entstammen. Gerade die sind es doch eigentlich, an denen wir die Verbindung zu der lebendigen Welt um uns herum spüren können. Undzwar in der Gegenwart noch genauso wie in der Vergangenheit, mit der solche Plätze uns ganz hautnah zu verbinden mögen. Gerade zu dieser Station im Jahreskreis ein sehr bereichernder Punkt der Ahnenarbeit und Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit...

6 Kommentare:

  1. Der passende Ausflug für die Samhain-Zeit.
    Du hast die Stimmung dort super eingefangen. Danke fürs Mitnehmen.

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    1. Freut mich sehr, wenn ich es für Dich gut transportieren konnte.
      Den Besuch ist es alle Male wert, dort.
      Und ich glaube auch dieses Samhainige hat die Atmosphäre wirklich noch verstärkt.
      Genieße die dunkle Jahreszeit und mach es Dir gemütlich :)

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  2. Danke fürs Teilen. Die zwischenweltlichen Energien deiner Bilder strömen bis zu mir herunter und verursachen Spannung. Da erinnerst du mich grad daran, bei mir in der Nähe steht irgendwo eine Wolfgangseiche, auch schon knorrig und sehr alt, es ist an der Zeit diese meinerseits endlich mal zu besuchen. Ich danke dir sehr dafür!

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    1. Hui, eine Wolfgangseiche, das klingt ja spannend...
      Hatte zufällig in meinem Mondkalender gelesen daß an Samhain auch Wolfgang Namenstag hat. Und mein Vater hieß so, der vor drei Jahren verstorben ist. Was hat es denn mit der Wolfgangseiche auf sich, weißt Du das?
      Freut mich jedenfalls, daß der Eintrag Dich bewegt hat. Ich wünsche Dir noch eine schöne Woche und sage bis bald! :-)

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  3. Was für ein Wahnsinnsbaum! Gewiß ein sehr sehr kraftvoller Ort. Aber auch keein Wunder, an Eurem schönen Tag ;-) Danke fürs mitnehmen. Liebste Samhaingrüße aus dem Bergischen

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    1. Vielen lieben Dank, freut mich sehr daß Dir der Bericht gefallen hat! :-) Ich hoffe Du konntest auch ein schönes Fest verbringen?
      Fühl Dich gedrückt und hab eine schöne Woche, bis bald! :-*

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