Samstag, 23. August 2014

Das Meer & Ich

Als ich noch klein war sind meine Eltern jedes Jahr mit mir ans Meer gefahren. Immer an die Nordsee, nach Bensersiel. Wir haben dort in den Sommerferien Urlaub gemacht. Camping am Sandstrand, aber auch zwischendurch einfach Tagesausflüge nach Cuxhaven und sowas. An so einiges kann ich mich noch erinnern, vieles ist bruchstückhaft und eine Menge hab ich vermutlich bereits ganz vergessen. Da würden Fotoalben auf die Sprünge helfen, die oben in unserem Aktenschrank liegen. Manchmal waren wir mit den Großeltern da, auch mal mit Onkel und Tante. Andere Kinder zum Spielen mußte ich aber jedes Mal neu kennenlernen. Ich liebte den warmen Sand unter meinen Füßen, das beinahe schon luxuriös-große Zelt mit der echt wohnlichen Ausstattung und allerlei Comfort. Ich glaube an diese Urlaube habe ich schon sehr lange nicht mehr gedacht. Ich erinnere mich ans Drachen-Steigen-Lassen mit meinem Papa, an Sonnenhütchen und Duschmarken. Bis ich zwölf oder dreizehn war muß das ungefähr ein jährliches Ritual gewesen sein, ein fester Bestandteil der Ferien. Warum es danach einfach aufgehört hat weiß ich gar nicht mehr. Vermutlich weil die nach außen hin perfekt aufrecht erhaltene Ehe meiner Eltern ab da mehr und mehr zerbröckelte.

Als ich noch ein sehr kleines Mädchen war träumte ich sehr häufig vom Ertrinken. Ich weiß noch wie ich aufwachte und keine Luft mehr bekam, bis ich panisch, schweiß-gebadet, manchmal sogar mit Nasenbluten und Herzrasen, realisierte dass ich selbst die Luft angehalten hatte. Über diese Träume habe ich schon lange meine eigenen Theorien und Erkenntnisse gewonnen, so dass sie hier eigentlich gar nicht weiter thematisiert werden sollen. Jedenfalls hinderten diese Erlebnisse mich nie daran die Umgebung des Meeres zu genießen. Ich kannte es ja gar nicht anders und hatte auch keine anderen Wünsche.

Mit den Jahren jedoch entwickelte sich eine neue Form der Angst und womöglich unbewußten Ablehnung. Evtl. spielten äußere Faktoren wie Weltuntergangstheorien oder Tsunamis und was weiß ich nicht noch alles da mit rein, so dass ich auf keinen Fall mehr für längere Zeit ans Meer wollte. Noch heute würden mich keine zehn Pferde auf ein Kreuzfahrt-Schiff kriegen, wie man so schön sagt. Ich weiß dass ich auf Überfahrten wie z. B. nach Helgoland wahnsinnig seekrank wurde, mich elendig lange übergeben mußte und einmal, bei besonders starkem Wellengang sogar Fieber bekam. Und wir saßen nicht gerade in einer Nußschale, wenn ich mich recht erinnere. In meiner Kindheit blockierte mich das alles gar nicht. Aber als ich dann älter wurde, prägte sich diese Angst vor Übelkeit und Schwindel auf offenem Gewässer dann doch ziemlich aus. Wie gesagt, davon ist auch immer noch viel geblieben.

Einen Urlaub in der DomRep, ich glaube 2007 müßte das gewesen sein, konnte ich hingegen sämtlicher Befürchtungen gebührend auskosten. Danach wurde die Angst aber immer größer. Vor Weite, vor Fluten, Naturkatastrophen, vor dem Ertrinken. Meine Vorliebe verschob sich statt dessen also auf Seen, kleine wie große. Dort gab es wenigstens Grenzen, wenn sie auch noch so tief und dunkel sein mochten. Daher wohl bis heute dieser Traum vom Haus am See.

Seit gut einem Jahr jedoch freunde ich mich dem Gedanken ans Meer und an die Küste nun wieder an. Es ruft mich an manchen Tagen geradezu. Ein mulmiges Restgefühl mag teilweise geblieben sein, aber die Weite schreckt mich jetzt nicht mehr so. Ich vermute dass es was mit meiner persönlichen Entwicklung zu tun hat, mit Freiheit und damit die eigenen Begrenzungen verlassen zu haben. Das ist ein gutes Gefühl, ein wahnsinnig gutes. Plötzlich ist die Idylle für mich wieder fühlbar, die eigene Atmosphäre, Stimmung am Strand, die Gezeiten, der rauhe Wind. Der Eindruck von Grenzenlosigkeit eben. Vielleicht mußte ich auch erst den Frieden für mich mit meiner Familie, meinen Eltern machen, um weiter gehen zu können - oder zurück zu kehren, wie man´s nimmt. An einen Punkt gelangen, wo Bilder aus der Vergangenheit auftauchen und heute keine Schrecken mehr verursachen und keinen Kummer. Höchstens mal ein bißchen Wehmut in Gedanken an eine glückliche Kindheit. Aber eigentlich nichtmal mehr das. Ich habe sie los gelassen, alle beide. Ich denke da kam so einiges zusammen an Schatten, die zunächst eine gehörige Portion Sonnenlicht brauchten. Und jetzt ist es gut. Jetzt kann ich wieder ans Meer fahren. Und ich möchte es auch. Meine eigenen Bilder herauf beschwören, eingefärbt mit Magie aus dem Herzen einer gereiften Frau.

6 Kommentare:

  1. Ich habe aus verschiedenen Gründen an mir selbst festgestellt, daß Angstträume mit Wasser ganz oft tatsächlich (fast klischeehaft) Gefühlstiefen betreffen, emotionale Urängste, die tief sitzen und weit verdrängt wurden. Ich habe oft und viel Wasserträume gehabt (reißende Flüsse, in denen ich jemanden retten mußte und/oder zu ertrinken drohte, Labyrinthe in Wasserhöhlen usw.), und inzwischen achte ich darauf und nehme sie als Hinweise. Aber das ist natürlich bei jedem Menschen ganz persönlich. :)

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    1. Heut zu Tage würde ich das vermutlich auch so einstufen. Aber heut zu Tage habe ich solche Träume ja nicht mehr ;-) Eben nur als kleines Kind. Ich glaube da hatten wir auch schon mal drüber gesprochen...?
      Jedenfalls sind sie für mich im Nachhinein betrachtet ziemlich einleuchtend. Als Kind hat man glaub ich noch nicht sooo viele emotionale Untiefen ;-))

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  2. Ein wundervoller Erfahrungsbericht. Danke für Deine Offenheit meine Liebe - und viele viele schöne Momente in Zukunft am Meer! :-)
    Beltane

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    1. Vielen lieben Dank, lange ist es ja nicht mehr hin :-)
      Manchmal tut es einfach gut und krieg ich einfach Lust mir sowas hier von der Seele zu schreiben. Eine gute Woche noch für Dich, bis bald!

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  3. Ja, ein wunderbarer Beitrag! Möge dir das Meer Kraft und Freude schenken. Wünsche dir eine magische Meereszeit!

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