Mittwoch, 25. Juni 2014

Nemesis

Ich glaube eine der vielfach am meisten falsch verstandenen Göttinnen ist die Nemesis. Wir kennen den Namen aus dem heutigen Sprachgebrauch und schließen automatisch auf endgültige Vergeltung, ewige Feindschaft und somit das unsanfte, um nicht zu sagen brutale (womöglich blutige) Ende einer tief sitzenden Fehde. Und natürlich ist die Nemesis eine Rache-Göttin. Sie steht für gerechten Zorn, Vergeltung, ausgleichende Gerechtigkeit und teilt den Menschen die für sie angemessene Strafe zu. Was sie zu einer Richterin macht, nicht zu einer blindlings rasenden Furie. Wobei sie durchaus von diesen umgeben ist und ihre Dienste zur Durchsetzung des Rechts gern in Anspruch nimmt.

Sicher ist sie eine Naturgewalt, jemand dessen Zorn man nicht auf sich laden möchte. Vermutlich fürchten die Menschen sie deshalb so sehr, weil sie "unentfliehbar" ist. Es entgeht ihr nichts, sie sieht alles und kann in die Herzen der Menschen blicken. Allerdings erkennt sie auch die Motivationen hinter den Taten und wägt danach ab, bevor sie ihr Urteil spricht. Sie besteht auf einem Ausgleich, achtet das rechte Maß, stellt das natürliche Gleichgewicht in der Ordnung wieder her. Wenn einem "Sünder" das ihm Gebührende zugeteilt wird, dann im entsprechenden Maß. Wer sie anruft muß damit rechnen dass sie tatsächlich ein objektives Urteil fällen wird. Dieses mag vernichtend, aber nicht zwingend so ausfallen, wie man es sich in dem Moment vorgestellt hat. Ich glaube man täte gut daran ihr nicht selbstgerecht oder gar selbstgefällig gegenüber zu treten. Die eigene, subjektive Meinung sollte in der Begegnung mit ihr keinesfalls überschätzt werden. Die Quittung kommt sicherlich, aber "Göttins" Mühlen mahlen langsam und gerecht. Es wird nicht gleich eine Plage apokalyptischen Maßes losbrechen, nur weil man vor Wut geradezu überschäumt. Auch wenn sie "die Rasende" ist. Sie schlägt dann zu, wenn sie es für richtig hält und auf ihre Weise. Im übertragenen Sinne ist sie der rächende Schicksalsschlag, der unweigerlich auf begangenes Unrecht folgen wird. Manchmal legt sie ihre kalte Hand vielleicht schon lange um ein Herz, bevor es dann tatsächlich bricht...

Laut Sage gebar sie die schöne Helena bzw. legte in Gestalt einer Gans das Ei, dem sie entschlüpfte. Zeus hatte ihr nachgesellt und sich schluß endlich dann auch als schöner Schwan mit ihr gepaart. Worauf ich hinaus möchte ist, dass sie selbst uns Folgendes vorgemacht hat: Sogar aus einer Ungerechtigkeit, gegen die wir uns lange gewehrt und gekämpft haben, kann schluß endlich etwas Schönes entstehen. Vermutlich liegt es also immer an der eigenen Einstellung wie man aus einer verletzenden Situation heraus geht und was man vor allem im Nachhinein daraus macht.
Zorn und Rache können durchaus schöpferisch sein.

Ich selbst habe lange Zeit den Kontakt mit ihr, und vermutlich sie selbst, falsch verstanden. Oder sagen wir mal, nicht ganz. Zumindest in meiner eigenen, individuellen Situation.
Die Nemesis fordert Dich auf, auch selbst Deine Situation, Dein Handeln, Streben, Wünschen und Dein Innerstes zu prüfen. Wie rein sind Deine Gedanken, wie gerechtfertigt Deine Ansprüche?
Sicherlich ist sie bereit zu entlohnen, was auch immer Du verdienst. Im Negativen genauso wie im Positiven.
Sie wird Dir helfen zu bekommen, was Du Dir sehnlich wünschst. Aber was tust Du dafür? Kannst Du selbst die Hand sein, die das Schwert führt, welches den entscheidenden Hieb tun wird? Wenn die Situation es zuläßt, dann wird sie das verlangen. Und wie wir wissen: Hilf Dir selbst, dann hilft Dir "Gott"...
Wenn Du also bereit bist, dann wird sie Dir die Umstände ebnen und die nötigen Mittel herbei führen, mit denen Du selbst am Rad des Schicksals drehen kannst. Dann bist Du selbst das Zünglein an der Waage und forderst Deinen Tribut ein.
Selbst aktiv zu sein ist um so vieles befriedigender, als nur Zuschauer aus der Ferne zu sein, vor Ereignissen, die man nicht mit eigener Kraft herbei führen konnte.

Also lernen wir uns jetzt noch einmal neu kennen. Ich denke nach über sie und ihre Botschaft, über ein Versprechen, das ich ihr gab. Über die, die sie war und immer noch ist. Über ihre immerwehrende, alles überragende Sicht der Dinge, über Neutralität. Über Motivation und Ausführung, Geben und Nehmen. Über Zurückgeben... und Einfordern.


4 Kommentare:

  1. *klatsch* Sehr schön geschrieben und eine wunderschöne Statue <3

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Oh, ich danke Dir *seicht errötet*
      Finde sie auch ganz wunderbar *-*

      Löschen
  2. In der Statue steckt viel Energie, sehr kraftvoll.
    Und ein schöner Text dazu!

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Oh ja, die hat richtig Schmackes, die Dame! ;-)
      Aber was würde man bei ihr auch anderes vermuten.
      Merci jedenfalls und eine schöne Woche für Dich :-*

      Löschen