Eigentlich hätte ich so viel zu sagen. Da ist eine Menge, die sich wuselnd heraus drängt. Eine große Blockade ist bereits gefallen und seit gestern abend haben sich mir die Zusammenhänge wie ein Wollknäuel entzerrt. Was mich blockiert hat, das war natürlich ich selbst. Man könnte es auf die Umstände schieben. Und das habe ich bisher getan. Aber wo ich nun einen entscheidenden Schritt gegangen bin, weiß ich es dass der Schlüssel die ganze Zeit in mir selbst gelegen hat.
Kann es so leicht sein? Die Schwelle zu übertreten, die man immer für unbeschreitbar hielt? Schlußendlich ist es so einfach gewesen. Aber wenn es um die eigene Person geht, die eigenen Dämonen und Ängste, dann wiegen die Hemmschuhe nunmal schwer. Den Freunden gute Ratschläge zu erteilen, das ist kein Problem. Zu sehen in welchen Fesseln sie sich selbst verstrickt haben und dass die Lösung doch eigentlich auf der Hand liegt. Doch wenn es Dich selbst betrifft, dann ist da dieser Klotz, der Dich lähmt.
Ich glaube in den letzten Jahren habe ich eine Menge dazu gelernt. Mich deutlich weiter entwickelt. Aber das hört ja tatsächlich nie auf. Die Entwicklung innerhalb der letzten zweiundzwanzig Jahre war ohnehin kein Pappenstiel. Da gab es die ganz großen Sachen, an denen ich hätte zerbrechen können. Und mehr als einmal dachte ich auch, das wäre ich. Aber es ist nicht passiert.
Ein ums andere Mal mußte ich mich selbst überwinden und Entscheidungen treffen, die ich nie für möglich gehalten hätte. Ich dachte sogar den Endgegner hätte ich bereits geschafft. Aber das war sie nicht. Sie war es nie. Ich selbst bin die letzte große Hürde. Der Turm, ja. Der in sich zusammen fällt. Das Kartenhaus aus Selbsttäuschung und vorgefassten Meinungen. Selbst auferlegten Zwängen. Darin sind wir alle ganz stark. Uns festzuklammern und die Augen vor dem Sinn zu verschließen, der hinter jeder Lektion lauert.
Da sind Wut und Verzweiflung, das Hadern mit der eigenen Geschichte. Die Fragen danach, warum es ausgerechnet immer Dich treffen muß. Aber ist das so? Hat nicht jeder von uns sein Päckchen zu tragen? Sein Kreuz? Und ist nicht das schlimmste Urteil, das jemand über Dich und Dein Leben fällen kann, das eigene? Wozu verdammen wir uns jeden Tag? Was halten wir für absolut unerreichbar? Ist es nicht in Wirklichkeit leichter mit dem Strom zu schwimmen, als ständig gegen die Wellen anzustrampeln?
Eine Kämpferin war ich immer. Und ich habe viele Kriege geführt. Die strategisch schwierigsten wohl in meinem Inneren. Da ist man so stolz über das Erreichte und sieht nicht, was sich direkt hinter den eigenen Augen abspielt. Ja, es gab viele Prüfungen und Steine im Weg. Die habe ich weggerollt, bestanden, überwunden. Mich Mal für Mal auf´s Neue überwunden. Dinge zu tun und mich einzulassen auf Umstände, bei denen es irgendwann nicht mehr anders ging.
Ängste besiegen. Ja, das klingt immer nach Kampf. Die größere Herausforderung ist jedoch das Annehmen und Loslassen. Hinzunehmen wie es ist und damit umzugehen, anstatt unaufhörlich nach anderen Auswegen zu suchen. Manchmal führt der Weg tatsächlich einfach geradeaus. Manches Mal müssen wir auch abbiegen. Jawohl. Den eingeschlagenen Pfad verlassen, weil er nicht mehr der richtige, dienliche ist. Doch oft genug heißt es auch der gewiesenen Richtung zu folgen. Und ich glaube das ist noch schwieriger. Weil das nämlich bedeutet die Kontrolle aufzugeben. Die Zwänge. Das zerreißt mich. Was in meiner eigenen Hand liegt, in meiner vermeintlichen Macht, das fühlt sich gut an. Richtig. Es gibt mir Sicherheit. Was nicht gleichbedeutend ist mit Freiheit. Denn die macht häufig Angst. Nicht nur mir. Ich sehe das auch in meinem inneren Kreis von Menschen. Beobachte wie sie sich quälen und abmühen und dabei selbst Stück für Stück zu Grunde richten. Dann fällt es mir wie Schuppen von den Augen, dass ich genauso bin.
Aber ich habe wieder einen großen Meilenstein überwunden. Sogar mehr als einen, ganz aktuell. Die Brocken scheinen beinahe wie von selbst den Abhang hinunter zu rollen. Ich geb ihnen noch Schwung, juhu! Ist das wirklich richtig? Frage ich mich dann. Hast Du die richtige Entscheidung getroffen? Wenn es sich fast mühelos anfühlt macht es oft Angst. Wir denken ständig dass es schon anstrengender sein müßte. Wieso?
Am Ende blicke ich meist auf die Erfahrungen zurück und muß feststellen, mir eingestehen, dass die Entscheidungen letztlich mit Vertrauen zu tun hatten. Böses Wort. Bleibt mir im Halse stecken. Ist ja auch so eine schlimme Sache, bei der man keine Kontrolle ausüben kann. Vertrauen in andere Menschen. In Dich selbst. In die Umstände, das Leben, Deinen Weg. Grässlich. Doch auch hier kann die Angst ein Wegweiser sein. Wenn Du Dich ein Mal ums andere fragst ob es gut werden wird. Ob es gut werden kann. Vertrauen ist da häufig das Zauberwort. Grübeln bringt nämlich keinen weiter.
Damit sage ich nicht, dass Du Dich Hals über Kopf in jedes Wagnis stürzen solltest, ohne vorher die Folgen zu überdenken. Mit Nichten. Abwägen und die möglichen Folgen prüfen ist schon Grundvoraussetzung für jede Entscheidung. Doch wenn das abgeschlossen ist mußt Du wählen. So schlicht ist das. Geht es Dir gut in dieser oder jener Situation? Nein? Dann solltest Du sie ändern. Überlege gut, sei weise. Ob es eine Angelegenheit ist bei der es Dir lediglich an Mut fehlt, sie zu ändern. Oder ob Du tatsächlich die Kraft brauchst sie durchzustehen, weil Du sie nicht ändern kannst. Eigentlich in Worten eine sehr einfache Formel. Die mir sehr früh im Leben bereits begegnet ist. Dennoch hapert es zumeist in der Praxis an der Umsetzung.
Gestehen muß ich jedoch: Ich hab es versucht mit dem Vertrauen. An verschiedenen Stellen. Häufig erst dann, wenn ich kurz vor dem Zusammenbruch stand. Einmal auch, nachdem ich schon längst zusammengebrochen war. Inzwischen beobachte ich, dass es mir etwas leichter von der Hand geht. In einiger Hinsicht ist es Alltag geworden. Da habe ich mich mit dem Vertrauen arrangiert. Weil ich heute weiß was gut ist und richtig, meinem Gefühl trauen kann. Nicht zuletzt auch weil ich eine prägende Erfahrung meines Lebens bis ins Kleinste beleuchtet, noch einmal durchlebt und abgearbeitet habe. Vielleicht abgehakt. Das wird sich zeigen. Da war es richtig festzuhalten und nicht aufzugeben. Nicht die Flucht anzutreten aus Angst.
In anderen Situationen mußte ich meinem Körper vertrauen. Der mir zuverlässig zeigte wenn mir etwas in meinem Alltag nicht mehr gut tat. Anfangs hat es Jahre gedauert, bis ich in der Lage war mir einzugestehen dass die Waage gekippt war und an der Zeit, meine Komfortzone zu verlassen. Im aktuellen Lebensabschnitt ist mir das wieder begegnet und nach einigem Für und Wider war klar, dass es erneut an der Zeit ist weiter zu ziehen. Aus verschiedenen Gründen, sicherlich.
Dann gibt es da noch die Angst vor der Zukunft. Wie soll man bitte auf sowas wie Zukunft vertrauen? Auf glückliche Umstände und Fügung. Vielleicht weil ich es, wenn ich zurück blicke und ehrlich bin, schon häufig erlebt habe? Nun, das ist als Gradmesser für mich zu wage. Dennoch. Wieder wurde ich "gezwungen". Wenn auch nicht von meinem Körper. Wobei auch der in letzter Instanz es getan hätte. Was ich daran sehe, wie frei meine Energien heute wieder fließen. Heute ganz frisch, am Tag nach dem entscheidenden Schritt.
Meine damalige Therapeutin hat vor Jahren mal zu mir gesagt, am Ende unserer Zeit, dass ich ein Buch schreiben könnte. Es tun sollte. Um anderen Menschen, vor allem Frauen, zu zeigen dass man aus jedem Loch wieder heraus klettern kann. Dass unser Leben nicht fremdbestimmt ist. Dass wir es nicht zulassen dürfen an den Umständen und Prägungen zu zerbrechen. Damit fasste sie unbewußt den Traum auf, den ich hege seit ich ein kleines Mädchen war. "Natürlich" geht das nicht. Kann ich das nicht. Ich wüßte auch gar nicht wie. Aber sie hat mich auf eine entscheidende Idee gebracht. Denn da waren tatsächlich Stationen in meinem Leben und einige dauern noch an, von denen ich nicht nur glaube, sondern weiß dass andere Menschen sie ebenfalls erleben. Dass man es schaffen kann. Dass man auch einmal falsche Entscheidungen darf. Dass Scheitern nicht das Ende ist.
Scham ist ist hier ein großes Thema. Abgesehen davon dass ich wirklich keinen blassen Schimmer habe wie man ein Buch schreibt. Ich hätte auch einfach keine Zeit. Und stelle darüber hinaus fest dass es Mut bräuchte diese Hüllen fallen zu lassen. Zu erzählen wie es war. Über Beweggründe zu sprechen. Über Gefühle. Ohne um den heißen Brei herum zu reden, sondern handfest die Themen in Angriff zu nehmen. Tatsachen zu schildern. Aufzudecken wie es sich anfühlt, wenn man von der eigenen Familie verraten wird z. B. Wie man sein Leben meistern kann, auch wenn der Start nicht gewesen ist, wie er sein sollte. Oder wie man wieder hoch kommt, wenn man einmal tief gefallen ist.
Aber genug davon. Was ich heute morgen eigentlich nur sagen wollte, war: Nichts ist in Stein gemeißelt. Dinge ändern sich. Kräfte ebben ab und branden dann mit voller Macht wieder heran. Das Leben verläuft nicht gradlinig. Sondern in Wellen, Rhythmen und Spiralen. Ja, es ist ein Kreislauf. Kein noch so tief verinnerlichter Glaubensgrundsatz, kein noch so festgefahrenes Verhaltensmuster hat scheinbar unabänderliche Gültigkeit. Wir dürfen lernen. Uns verändern. Wir müssen. So wie die Natur mit ihren Jahreszeiten es uns vorlebt. Alles hat seine Zeit. Alles ist Wandel.
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