Samstag, 22. Februar 2014

Schattentage

Kennt Ihr dieses Gefühl völlig entrückt zu sein, neben sich zu stehen...? Wenn die Sonne ins Gesicht scheint reagieren die Augen zu überempfindlich, hinter der Stirn lauern die Kopfschmerzen und alles scheit irgendenwie weit entfernt. Dumpf, nichts dringt so recht zu einem durch... Heute ist einer dieser Tage. Ich habe hin und her überlegt ob ich darüber schreiben will. Aber in niemandes Leben herrscht permanent eitel Sonnenschein, wir haben alle unsere Tiefpunkte. Und manch ein Schmerz büßt zumindest seinen spitzen Stachel ein, der nicht aufhört zu bohren, bis man einmal drüber gesprochen hat. Wobei das natürlich nicht wirklich das richtige Wort ist. Ich schreibe drüber. Das fällt mir genrell leichter. Wenn ich Kummer habe kann ich ihn in Worte fassen, recht gut sogar. Auf eine Art, die regelrecht entlastend auf mich wirkt. Darüber sprechen ist schon wieder ein ganz anderes Kaliber. Schreiben ist sanft und befreiend. Man kann die Worte abwägen und alles passiert nur im Kopf. Keine traurigen Blicke des Gegenübers, oder Umarmungen, die zwar unheimlich gut tun und wichtig sind, in einer heiklen Situation jedoch unmittelbar die Tränen in die Augen schießen lassen. Und das hat nichts damit zu tun dass ich meine Verletzlichkeit nicht nach außen hin zeigen wollen würde. Denn das tue ich ja hiermit ganz offiziell. Ich will es nur nicht aussprechen. Denn dann ist so wahr, so greifbar. Das kann ich nicht gut haben. Noch nicht. Vielleicht überhaupt nicht, wer weiß.
 
Heute vormittag hatten wir nochmal einen Termin bei der Tierärztin. Unsere Shiva ist ja inzwischen beinahe 16 Jahren alt, im Mai genau genommen. Und fast genauso lange ist sie auch bei mir. Beinahe mein halbes Leben habe ich mit ihr verbracht. Noch ist nicht der Augenblick gekommen hier die Erinnerungskiste raus zu kramen, von unseren ersten gemeinsamen Momenten zu erzählen und all das. Aber vermutlich liegt dieser Tag nicht mehr in allzu weiter Ferne, wo es heißt Abschied zu nehmen.

Und genau das meine ich. Ich wollte heute ab einem gewissen Punkt nur noch raus aus dieser Praxis, keine weiteren Worte mehr hören. Nichts mehr über plötzliches Versterben, über sanftes Erlösen, auch keine tröstenden Floskeln und noch nicht mal mehr Mut machendes. Ich hatte so einen dicken Kloß im Hals sitzen, ich konnte nur noch schlucken. Habe den Moment herbei gesehent wo ich ungestört zuhause die Tränen laufen lassen, schluchzen und weinen könnte. Ich konnte und wollte das vor der Ärztin und ihrer Helferin und meinem Mann und anderen Patienten im Wartezimmer nicht zulassen. Dass mir die Schminke schwarz von den Augen über das Gesicht verläuft, meine Wangen sich rot verfärben. Ungeschützt, verzweifelt. Und nicht wissen wann die Tränen nachlassen. Hilflos, angesichts der Tatsache, dass ich nichts ändern kann. Oder zumindest nicht mehr viel. Natürlich habe ich bereits vor einigen Tagen mein Kerzelein für sie fertig gemacht, keine Frage. Ich bitte für sie und wir werden tun, was sonst noch Weltliches in unserer Macht steht. Aber ich weiß sehr wohl auch wenn die persönliche Uhr abgelaufen ist und es an der Zeit ist zu gehen, dann kann nichts und niemand mehr etwas dagegen tun....
 
Als wir Mitte der Woche die Auswertung der Blutergebnisse mitgeteilt bekamen war es in einer Art ein Schock, andererseits hatten wir auch irgendwo damit gerechnet. Sie ist Nieren-krank undzwar schon ziemlich... Natürlich ist das eine Altersgeschichte. Laut Umrechnungstabelle, auf die wir heute im Behandlungszimmer einen Blick geworfen hatten, entspricht eine Katze im Alter von 16 Jahren ungefähr einem Menschen mit 90. Nun ja, ich kenne viele Katzen die 17, 18 oder 20 Jahre alt geworden sind...
Das Herz ist ebenfalls schwach, so einige Werte alles andere als in ordnung. Nun könnte sie mit der richtigen Behandlung und Ernährung dennoch ein, zwei oder drei schöne Jahre haben. Das Problem ist nur dass sie kaum noch frißt, was allerdings unbedingt notwendig wäre. Wir haben natürlich inzwischen die verschiedesten, hochwertigen Futtersorten hier. Doch nichts kann meinen kleinen Freßsack von einst dazu verleiten mal wieder richtig rein zu hauen. In den letzten Monaten ist sie ziemlich abgemagert, richtig dünn geworden und dabei war sie davor immer eine richtige Wuchtbrumme. Also ehrlich jetzt. Sie bettelt zwar noch, wenn ich uns was mache oder koche. Auch nimmt sie Kochschinken an und Leckerchen. Aber alles in Maßen und an Katzenfutter hat sie bis auf Soße schlecken nicht mehr wirklich Interesse. In ihrem Mundraum ist nichts und die Zähne sind auch okay, also keine Schmerzen beim Essen. Aber höchst wahrscheinlich ist ihr schon  übel von dem ausgezehrten Magen, so dass ihr größere Mengen zu essen Mühe bereitet und auch nicht gut bekommt. Häufig hat sie in den vergangenen Wochen direkt alles wieder aus gebrochen, wenn sie eine vernünftige Portion zu sich genommen hatte. Aber gut, ich will nicht noch mehr Details raus kramen. Unsere Ärztin ist wirklich toll, macht viel mit Homöpathie und auf pflanzlicher Basis, da wo es geht. Nur muss sie das natürlich auch irgendwie einnehmen.

Wenigstens hat sie heute von meinem Mann Kochschinken angenommen und vorher schon einige Bröckchen von dem Nieren-Trockenfutter. Beim Füttern vorhin hat sie dann aber wieder nur die Soße vom Nassfutter weg geschleckt und zwei oder drei Bröckchen zusätzlich gekaut. Nun ja, immerhin ein Anfang. Größere Mengen verträgt sie ja grad eh nicht, da muss der Körper sich erst wieder dran gewöhnen. Hoffen wir dasswir das mit ihr hin kriegen. Nachher werden wir es noch mit einer Portion Aufbaupulver versuchen, die wir in Milch anrühren werden. Also alle Daumen drücken dass es funktioniert und wieder besser wird mit ihr...

Nicht dass wir uns falsch verstehen. Mir ist klar dass ich den Kreislauf des Lebens akzeptieren muss und wenn es noch so schwer fällt. Ich weiß dass irgendwann der Zeitpunkt gekommen ist. Dennoch tut es weh. Die Ärztin hat auch ganz offen gesagt dass es in ihrem Zustand und bei den vorliegenden Diagnosen durchaus passieren kann dass sie eines Abends einschläft und am nächsten Morgen nicht mehr aufwacht. Sofern dies nicht mit Schmerzen und im Kreise ihrer Lieben, daheim bei uns, verbunden ist, wäre das vermutlich noch das schönste... Ende. Wie wir Menschen es uns eben auch häufig so wünschen. Bloß quälen soll sie sich nicht, meine Maus. Sie soll ihre Würde behalten dürfen und wenn es nach mir geht noch ein, zwei oder drei schöne Sommer mit uns allen erleben. Das wünsche ich mir so sehr. Für sie und für uns.

In solchen Momenten denke ich mir wie gut es ist dass sie zu dritt sind, unsere Schätze. Lucky würde nie damit klar kommen allein zurück zu bleiben und wenn dann erst noch wieder jemand Fremdes hinzu käme. Ich weiß noch zu gut wie schwer das für Shiva selber damals war, vor sechs Jahren ungefähr, als unser Gizzmoh gehen musste und einige Tage später dann Lucky-Schatz bei uns einzog...

Jetzt wo ich das aufgeschrieben habe will ich schon gar nicht mehr an ein böses Ende denken, noch nicht jetzt. Lieber mich darauf konzentrieren dass sie ihr Futter annimmt, die Medis zu sich nimmt und wieder zu Kräften kommt. Und dass auch die beiden anderen schön die Pfötchen und Schnütchen von dem Spezialfutter lassen. Aber bis dahin ist es noch ein Weg.

So kam es auch dass unser Essen, wozu wir eigentlich drei liebe Freunde für heute eingeladen hatten, erstmal ausfallen mußte. Shiva braucht absolute Ruhe und fühlt sich ja ohnehin häufig leicht gestresst, wenn Besuch da ist. Da würde sie dann ganz sicher nicht raus kommen und fressen, wenn sie es so schon nicht macht. Sollten wir es gar nicht hinkriegen, dann müssen wir sie Montag morgen für einen Tag zu Frau Doktor in die Praxis bringen, damit sie dort Nahrung und Medikamente bekommt. Aber so würde es ja auch nicht auf die Dauer weiter gehen. Wer Katzen hat weiß selbst was für einen Stress das wiederum für sie bedeutet... Und für mich wäre das wohl heute auch nicht so recht was gewesen, dazu stehe ich doch ein wenig zu sehr neben mir, ehrlich gesagt.
Jetzt aber erstmal positiv denken, nicht mehr weinen, keine Verzweiflung. Noch ist nicht aller Tage Abend.

Edit:
Leider haben wir inzwischen nun schon einmal erfolglos versucht ihr die Aufbau-Milchmischung anzudrehen. Erst hat sie kurz angefangen zu schlabbern, dann aber doch wieder abgedreht. Vielleicht später nochmal, wenn sie hoffentlich merkt dass ihr weder schlecht geworden ist, sie noch Bauchweh bekommen hat... Sie ist ja schlau, das wissen wir. Und natürlich weiss sie selbst instinktiv dass sie ohne Nahrung aufzunehmen nicht überleben kann. Dafür sind Katzen bekannt.

Drückt uns die Daumen für unsere große Maus....

7 Kommentare:

  1. Ich denke schon den ganzen Tag an Euch.
    Gleich kommt noch eine weitere Kerze.

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  2. Sowas tut immer weh. Man hat dieses Wesen in all den Jahren so lieb gewonnen, sie ist ein Familienmitglied und man spürt schon den nahen Verlust, die Lücke, die sie hinterlassen wird.
    Ich wünsche euch noch eine intensive gemeinsame Zeit und dann ein leichtes Gehen-lassen-Können.
    Viel Kraft wünscht dir
    Alruna

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  3. ich kenne das leider auch. Wir habens seit über 20 Jahren Katzen, meine erste musste ich mit 18 Jahren einschläfern lassen, wegen Nierenversagens und auf den Tag 4 Wochen später die Schwester wegen Krebs...naja und dann mein Odin mit nur 4 Jahren ( steht ja auch im Blog) den ich immer noch soooo sehr vermisse, trotz der anderen 10 Katzen , die wir haben. Man hängt an diesen Seelen, sie sind Familienmitgleider und Begleiter eines Lebens....ich wünsche Dir ganz viel Kraft den richtigen Weg zu finden und denke dran, falls sie diese Welt verlassen muss, begleitet sie dich weiter auf der anderen Ebene...alles erdenkklich Liebe für Euch!

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  4. Das sind ein paar schwere Worte, meine Liebe und ich fühle mit dir. Solche Lebenssituationen sind nie einfach und egal was ich dir darauf antworten will, irgendwie ist es doch nie das richtige. Alles war mir vorerst bleibt ist dir und deinen Lieben viel Kraft zu wünschen und deiner süssen Maus so viel Glück es eben gibt, damit sie, wenn es dann soweit ist, schmerzfrei gehen darf. Bis dahin aber vor allem noch viele wunderschöne gemeinsam Erlebnisse. <3

    Alles Liebe,
    Nicky

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  5. Habt Ihr mal versucht, das Futter schön breiig zu machen? Vielleicht kann sie es dann besser schlucken. :(

    Ich mach auch noch eine Kerze und ich denk ganz viel an Euch. <3

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    1. Ja, haben wir Süße. Pürierten Kochschinken frißt sie in kleinen Portionen, aber an Katzenfutter (verschiedenste Sorten) hat sie überhaupt kein Interesse mehr...

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  6. Vielen Dank, Euch Allen Lieben, für Eure guten Wünsche, Gebete, Kerzen und die liebevollen Worte... <3
    Ich werde Euch auf dem Laufenden halten.
    Hoffen wir weiterhin das Allerbeste.

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